Sechzehnter Auftritt


[358] Vorige. Rappelkopf öffnet die Tür und bleibt stehen.


RAPPELKOPF. Holla, da gehts zu, nur hinauf auf die Köpf! Das ist ein Gesindel. Geht in die Mitte des Zimmers und klatscht in die Hände. Schadenfroh. Bravo! Bravissimo!

SALCHEN. Jetzt schauts den an. Was will denn der da?

MARTHE. Nu was will Er? Was schaut Er?

RAPPELKOPF. Sie will ich nicht. Sie Altertum! Was kost die Hütten da? Was muß ich zahlen, wenn ich euch alle hinauswerfen darf?

SALCHEN. Ah, der hat einen kuriosen Gusto.

MARTHE. Er impertinenter Mensch, was untersteht Er sich denn, da hereinzukommen –

SALCHEN. Und uns Grobheiten anzutun.

CHRISTIAN halb schlaftrunken. Werfts ihn aussi!

MARTHE verdrüßlich. Halt 's Maul! Zu Rappelkopf. Was hat denn Er zu befehlen, ich kann meine Kinder schlagen, wie ich will.

ANDRESEL. Nun ja, was geht denn den Herrn mein Buckel an? Die Schläg sein unser Mittagmahl.

DER BUB UNTERM BETT. Sultel! Huß huß![358]

DER HUND. Hau hau!

MARTHE UND SALCHEN. Hinaus mit Ihm!

RAPPELKOPF. Still! kein Wort reden! Zieht zwei Geldbeutel hervor und klingelt damit. Geld ist da! Dukaten sind da! Die gehören alle euch. Verstanden? Also freundlich sein. Die Zähn herblöcken. Euer Gnaden sagen. Gschwind! Bagage! Gschwind!

MARTHE. Euer Gnaden, wir bitten um Verzeihung. Gehts, Kinder, küßt den gnädigen Herrn die Hand. Kriegts was zu schenken.


Die Kinder kriechen hervor.


ANDRESEL lacht dumm. Dukaten hat er? Gehts, Buben, küssen wir ihm die Hand.


Sie küssen ihm die Hände.


RAPPELKOPF. Ist schon da die Brut.

ALLE DREI BUBEN. Euer Gnaden, bitt gar schön um ein Dukaten.

CHRISTIAN. Bringst mir auch welche her!

SALCHEN. Schamts euch nicht? er foppt euch nur.

RAPPELKOPF. Was will die Frau, da, für die Keischen? Ich kauf s'. Wenn s' noch so teuer ist.

MARTHE. Ah, Euer Gnaden machen nur einen Spaß. Was wollten S' denn mit der miserablichen Hütten da?

RAPPELKOPF. Das geht Sie nichts an. Hat Sie genug an zweihundert Dukaten?

MARTHE. O mein, Euer Gnaden! So viel Geld kanns ja gar nicht geben auf der Welt, da wären wir ja versorgt auf unser Lebtag.

SALCHEN. Aber die Mutter wird doch nicht die Hütten verkaufen? Was wird denn mein Franzel sagen, wenn ers hört?

ANDRESEL. Mutter, gebts ihm s', es ist nicht mehr wert.

MARTHE freudig. O du lieber Himmel, das ist a Glück! Wenn nur mit mein Mann was zu reden wär!

ANDRESEL. Vater! steht der Vater auf! Oder wir verkaufen 's Haus, und den Vatern auch dazu.

MARTHE. Du Mann! Für sich. Nein, die Schand vorn Leuten![359] Er kann sich gar nicht rühren. Während dieser Rede liebkost der Hund Rappelkopf, welcher ihn mit dem Fuß von sich stößt. Der Hund bellt auf ihn. Marthe laut. Die Hütten kannst verkaufen, stell dir vor, zweihundert Dukaten kriegen wir dafür.

CHRISTIAN schlaftrunken. Ist zu wenig – viel zu wenig.

SALCHEN. Wenn er s' nur nicht hergebet!

MARTHE. Der Mann weiß gar nicht, was er redt. Sie können s' habn, Euer Gnaden, es ist schon alles in der Ordnung.

RAPPELKOPF. Da kauf ich alles, wies da liegt und steht.

MARTHE. Oh, da drauß ist auch ein Kuchel, da hängt a Menge Kuchelgschirr.

ANDRESEL. Und Mäus gibts, die sind gar nicht zu bezahlen.

RAPPELKOPF. Also da ist 's Geld. Wirft ihnen Geld hin. Und jetzt augenblicklich hinaus. Alle miteinander. In zwei Minuten will ich keins mehr sehen.

SALCHEN. Sieht die Mutter, jetzt kommts halt doch auf Hinauswerfen heraus.


Während dieser Reden haben die Kinder alles nach und nach zurückgeräumt, so daß die Bühne im Vordergrunde frei von Möbeln ist, bis auf einen Stuhl, auf den sich Rappelkopf setzt.

Franzel tritt ein.


FRANZEL. Guten Abend, der Franzel ist da!

RAPPELKOPF. Da kommt noch so ein Halbmensch.

SALCHEN. O lieber Franzel, schau nur den Fremden an, dem hat die Mutter die Hütten verkauft, er wirft uns alle 'naus. Er hat s' schon zahlt.

FRANZEL. Aber Mutter, was fallt Euch denn ein? Gebts ihm doch 's Geld zurück, dem abscheulichen Menschen.

MARTHE. Warum nit gar – das gib ich nimmer her, keinen solchen Narren finden wir nicht mehr. Seids still, von dem Geld könnts euch heiraten.

SALCHEN. Aber wo bleiben wir denn? Es ist ja schon bald Nacht.

MARTHE. Ums Geld lassen s' uns überall hinein. He! Kinder, Vater, Mutter, auf, auf! wir müssen alle fort.

ANDRESEL. Das wird ein Auszug werden! Ich freu mich schon.[360]

MARTHE. Aufsteh, Mann!


Sie zerrt ihn auf und führt ihn vor.


RAPPELKOPF. Ist er krank?

MARTHE. Nu, ich glaubs.

RAPPELKOPF. Schon lang?

MARTHE. Halt ja, das ist gar ein alts Übel, das ist noch vom vorigen Jahr.

RAPPELKOPF. Das ist nicht wahr! es ist vom Heurigen. Hinaus mit ihm!

CHRISTIAN. Ich geh nicht fort, bis ich das Geld nicht hab. Ich bin ein Mann, ich hab etwas im Kopf, so will ich im Sack auch was haben.

MARTHE. Ich hab schon 's Geld, Zieht ihm den Rock an und setzt ihm den Hut auf. so geh nur zu! Jetzt Kinder, packts zusammen. Hansel nimmt den Hund an einen Strick. Der Christoph führt die Großmutter. Sie heben die Alte aus dem Bett und geben ihr die Krücke in die Hand. Auf Hänschen. Du führst den Hund, und ich mein Mann.

RAPPELKOPF. Und das Kind? Was gschieht mit den?

ANDRESEL. Das nimm ich unterm Arm.

RAPPELKOPF. Das ist ein Hottentottenvolk. Seid ihr in Ordnung jetzt?

ANDRESEL. Ja. Eingspannt ists.

RAPPELKOPF. So fahrt hinaus.

SALCHEN. So müssen wir denn wirklich fort, aus unsern lieben Haus –

CHRISTOPH weint. Wo wir alle geboren und verzogen sein.

SALCHEN. Meiner Seel, der Herr kanns nicht verantworten, was der Herr mit seinen Geld für ein Unheil anstift.


Sextett.


SALCHEN.

So leb denn wohl, du stilles Haus,

Wir ziehn betrübt aus dir hinaus.

ALLE bis auf Rappelkopf.

So leb denn wohl, du stilles Haus,

Wir ziehn betrübt aus dir hinaus.[361]

SALCHEN.

Und fänden wir das höchste Glück,

Wir dächten doch an dich zurück.

ALLE.

Und fänden wir das höchste Glück,

Wir dächten doch an dich zurück.


Alle Paar und Paar ab.

Sie sehen sich im Abgehen betrübt um, auch der Hund.


DER HUND mit gedämpftem Ton gegen Rappelkopf im Abführen. Hau hau! Hau hau!


Geht hinten nach, von Hänschen an einem Strick geführt.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 358-362.
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